Die Kinder lieben den Laden sowieso. Wegen der kleinen Croissants, die es immer gibt. Auch wer als Erwachsener einmal ein frisches Roggen- oder Mehrkorn-Brötchen von der Allee-Bäckerei gegessen hat, einen Nuss-Kringel verspeist oder das „Marathon-Brot“ gekostet hat, wird immer gern wiederkommen. Irgendwie schmeckt es ja doch anders als bei MacBäck & Co… Klar, es gibt auch noch andere gute Bäcker in Flingern, und die Geschmäcker sind sowieso verschieden, wir aber gehen am liebsten hierher.

Von der Straße aus betrachtet verströmt das unscheinbare Ladenlokal zwischen Blumengeschäft, China-Restaurant und Jesus-Haus vielleicht eher den Charme von Vortags-Brötchen, doch für die Bäckerei nahe des Wehrhahns zählen eben die inneren Werte. Schrot und Korn sind sorgsam gewählt, Bäcker Wolfgang Wien kann auf rund 40 Jahre Berufs-Erfahrung zurückblicken, seit 14 Jahren verkauft er seine Produkte an der Grafenberger Allee. Übrigens: Zur Bäckerei gehört auch ein kleines Bistro (wechselnde Mittagsgerichte) und die Konditorei.

Die Torten macht er zwischendurch. Und „zwischendurch“ ist ein extrem weiter Begriff: um 2 Uhr morgens stehen Wien (57) und seine Frau Sirisuk (49) auf, Brötchen, Brot, Teilchen und andere Backwaren wollen schließlich vorbereitet und in den Ofen geschoben werden. Sirisuk verteilt und verpackt derweil die Backwaren an die Großkunden. Um sechs Uhr morgens öffnet die „Allee-Bäckerei“ dann offiziell. Bis 18.30 Uhr wird verkauft. Zwischendurch wird immer wieder frisch gebacken, irgendwann macht Wien dann Mittagspause. Aber vorher wird noch der frische Brötchen-Teig angesetzt. Und genau, der Kuchen gebacken. Oder Karnevals-Mutzen. Oder Oster-Hasen, Weckmänner, Weihnachts-Stollen, Kekse.

Die „Allee-Bäckerei“ ist eine der letzten Nicht-Ketten-Geschäfte in Flingern. Wehmütig macht Wien das nicht, das sei eben der Lauf der Dinge. Interessant ist es dennoch, dass es vor rund 30 Jahren noch mehr als 25 selbstständige Bäcker im Viertel gab, regelmäßige Bezirksvertretungs-Bäcker-Treffen inklusive. Übrigens gern im früheren „Wiener-Wald“ an der Grafenberger Allee. Der heißt jetzt Kytaro – aber das ist eine andere Geschichte.

Sonntags herrscht in der Allee-Bäckerei Ausnahmezustand. Geöffnet ist von 8.30 bis 12.30 Uhr. In der Zeit macht Wien so viel Umsatz wie sonst an einem ganzen Tag. Alles in allem ist Schlaf die ganze Woche eher Mangelware für den Herren Bäcker und seine Familie (drei Kinder), eine Auszeit gibt es dennoch nur einmal im Jahr. Ganz traditionell reisen die Wiens dann drei Wochen in die Heimat von Sirisuk nach Thailand.

Und wir stehen am ersten Morgen enttäuscht vor der Ladentüre. Dass die Allee-Bäckerei auch mal zu machen könnte, hatten wir mal wieder verdrängt…