Ich war ja noch nicht in Indien, das Durchschnittseuropäern eine tüchtige Lektion in Entspanntheit und Schicksalsergebenheit erteilen soll. Ich glaube, mit zwei Kindern durch Europa zu reisen, ist was das angeht vergleichbar. Unser Zwischenstopp in Salsomaggiore ist hierfür ein weiterer Beweis: es  sind dann halt nicht die Cinque Terre geworden, jene pittoresken Bergdörfer an der Ligurischen Küste, die zwar mittlerweile kein Geheimtipp mehr sind, aber dennoch einen romantischen Einblick in längst vergangene Zeiten geben sollen. Nein, wir landen c.a. 1,5 Stunden Autofahrt nôrdlich davon, weil irgendwann klar ist, dass das Gejaule im Auto bis dahin nicht mehr aufhört. Gut. Na ja, und da uns die Hitze auf unserer Nordroute doch wieder eingeholt hat, nehmen wir einen Campingplatz mit Freibad-Anschluss.

Hier betreiben wir dann vier Tage lang nicht nur ausgiebiges Planschen, Rutschen und Schwimmen bei einem traumhaft schönen Ausblick auf die tiefer liegenden Ländereien, sondern auch ausführliche kulturelle Studien der hauptsächlich italienischen Badegäste. Deren Body-Cult scheint ähnlich ausgeprägt wie der in deutschen Freibädern, also sehr 🙂 Der modische Hit bei den Damen: Bikini-Träger unter den Achseln – oben ohne ist hier null angezeigt, aber streifenlose Schultern halt schon. – und bei den Männern: Bermudas über der Unterhose statt Badehose. Im Gegensatz zu deutschen Schwimmbädern prägen zumindest dieses Bad hier die ganztägigen Familienbesuche, wobei „Familien“ hier nicht als Vater-Mutter-Kind, sondern im weiteren Sinne gemeint sind: Oma und Opa, Tante und Mamas Freundin, egal ob mit oder ohne eigenen Nachwuchs, Hunde und und und…

Sehr angenehm, wenn frau nicht die einzige ist, die ihre Brust zum Stillen entblößt, vor allem wo doch keine einfach so ohne Bikinioberteil herumliegt… Selbst die Kinder sind alle vorschriftsmäßig bekleidet – und wundern sich doppelt über das Outfit unseres Sohnes – nackt auf der Decke, aber mit Radler-Hose und T-shirt ins Wasser – weil sie noch nie was von Badekleidung mit Lichtschutzfaktor gehört haben. Zugegeben, oft verlassen haben wir den Campingplatz bzw. das Freibad nicht, obwohl Parma mit seinen vielen Hofverkäufen seiner namhaften Käse und Schinken sowie eines wunderschönen Hinterlandes der Ligurischen Küste – samt der nicht erreichten Cinque Terre- genügend Anlass gegeben hätten.

Allein der Hunger trieb uns einen Tag aufs Rad, um im „nächsten“ Supermarkt unsere Vorräte aufzustocken. 1 km bergab und dann wieder mit den Einkäufen rauf: das schaffen wir, auch wenn’s schon wieder kurz vor der Mittagshitze ist. Tja, leider hatte ich dir freundliche Dame an der Rezeption Trotz ihres eigentlich gut verständlichen Englischs missverstanden. „Nein, 8!“ korrigierte sie mich, knallrot, hechelnd, Bäche von Schweiß an mir herunter strömend, als wir oben angekommen mit letzter Kraft nochmal nachfragten. Aha. Naja, schön war’s ja, vor all auf dem Hinweg, durch den Ort, vorbei an Wiesen und Feldern, auf denen der Sohn die Vielfalt an Traktoren bewundern, der Rest von uns die frische Luft und herrliche Aussicht genießen konnte.

Gut, auf dem Rückweg, also bergauf, hätte man für die gleichen Dinge noch mal recht viel Zeit gehabt, doch verstellten die dann recht hoch stehende Sonne und die 40 kg Gepäck  ein wenig den Blick … Vielleicht hätten wir doch noch den kleinen Abstecher über den ausgeschildertem buddhistischen Tempel machen sollen? So versöhnte uns, vor allem den schleppenden Mann, dann nur folgende Vorstellung mit dem Diesseits: „Wenn ich mal richtig alt bin, dann kommen wir noch mal hierher, mein Sohn. Und dann lass ich mich im Rollstuhl samt 40 kg Gepäck von DIR den ganzen Weg von Fidenza in der Mittagshitze hier ‚rauf ziehen. Und wenn wir dann endlich oben sind, dann frag ICH nach MEINER Belohnung!“ (jen)