Die Frage, ob etwas noch zeitgemäß ist, wird gern im sonntäglichen Feuilleton debattiert. Die Rubrik findet sich meist unten auf der Seite, links schreibt einer dafür, rechts einer dagegen. An dieser Stelle möchten wir eine Vorlage für das „Contra“ geben – und hoffen irgendwie, dass viele „Pro“-Beiträge folgen.
Den Impuls, an dieser Stelle einmal deutlicher zu werden, hatten wir schon vor / während / nach der jüngsten Ausgabe von „Flingern rollt den roten Teppich aus“. Nicht wenige fragten sich, warum und für wen wir da einen Teppich ausrollen. Nicht, dass wir etwas gegen Menschen hätten, die gerade nicht in Flingern wohnen und herkommen, um zu feiern. Wir erinnerten uns nur an eine Zeit, in der sich Besucher eher zufällig hierher verirrten und das, was sie sahen, doch irgendwie cool fanden. Verstörend, weil anders, unangepasst. Und deswegen kreativ oder lustig oder anregend.
Diesmal wurde der verkaufsoffene Abend in der Rheinischen Post angekündigt (schon im Sommer haben das viele mit Grusel beobachtet) und auch wenn der Regen Schlimmeres verhinderte, konnte sich Flingern im nachhinein dafür rühmen, dass bei uns im Viertel exklusive Bratwürstchen mit Blümchen drin verkauft werden, Kuchen noch selbst gebacken werden oder dass der Yoga-Jünger hier die weichsten Matten bekommt. Soll es das sein?
Scheinbar ja. Wir haben euch gewarnt, dass der zunehmende Kaufrausch in unseren Gassen ein böses Ende haben wird, dass der 100te Laden, der Ausgefallenes (gern für Kinder / mit Fliegenpilz-Muster / bedruckt mit lustigen Sprüchen) zu überteuerten Preisen anbietet, früher oder später zur Verflachung führt. Diesen Dienstag war es endgültig soweit.
In der schönen RP-Rubrik „55 Dinge, die man in Düsseldorf erlebt haben muss“ schrieb eine Autorin (Praktikantin) über die „Wundertüte Ackerstraße“. Man weiß nicht, was mehr weh tut: Ein Text, der Flingern mit einer südlichen Urlaubsinsel vergleicht, in der man davon träumt „Inhaber eines hübsch eingerichten Cafés oder eines eigenen Ladens“ zu sein, um dann zu ergänzen: „die Ackerstraße sei keine schöne Straße, ihren Reiz macht das Unvorhergesehene ihres Angebots aus.“ Oder die Tatsache, dass Flingern hier scheinbar endgültig als kreative Shoppingmeile verramscht wird.
Urlaubsinsel, schön oder nicht schön, was zusätzlich befremdet, jedenfalls uns, ist dass, was Flingern angeblich so toll macht: ein Geschäft für Esoterik, dass auch so heißt, Putzlappen und Spülschwämme, die mit „Glanzstück“ oder „Dreckstück“ bedruckt sind und angeblich WG-tauglich machen und ältere Gäste in einem Café, die Zeitung lesen.
Was kann man tun? Abwarten, bis die neue Beliebigkeit weiter zieht, vielleicht nach Bilk auf die Lorettostraße, die jetzt der neue Place to be sein soll, oder – wer so lang nicht aushalten kann, dem bleibt nur der Ortswechsel. Fortuns zieht es ja auch in eine andere Liga.